Weiterlesen: Gefährdungsanalyse in Trinkwasser-Installationen
Gefährdungen für die menschliche Gesundheit können an unterschiedlichen Stellen des Versorgungssystems auftreten und durch unterschiedliche Ereignisse ausgelöst werden. Wenn zum Beispiel die Temperaturen in einigen Teilen der Kaltwasserleitungen sich durch fehlenden Wasseraustausch oder mangelhafte Durchströmung erhöhen, kann das zu wachstumsfördernden Bedingungen für gesundheitsschädliche Mikroorganismen führen, die dann an der Entnahmestelle auf den Menschen übertragen werden. Aber auch wenn Anlagen oder Geräte unmittelbar mit dem Trinkwasser verbunden sind, in denen sich Nicht-Trinkwasser befindet (Heizungs- oder Klimaanlagen, Kaffee- und Getränkeautomaten, Feuerlöschleitungen, …), kann es durch Vermischung zu Verunreinigungen des Trinkwassers kommen.
Bei einer Gefährdungsanalyse geht es also darum, systematisch alle Gefährdungen und möglichen Ereignisse zu ermitteln, die zu einer Gesundheitsgefährdung durch verunreinigtes Trinkwasser führen können. Legionellen sind dabei jedoch nur einer der Indikatoren für technische Missstände in einer Trinkwasser-Installation, die eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung anzeigen. Entsprechend sind im Rahmen der Ortsbesichtigung zur Prüfung auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik nicht nur die technischen und betriebstechnischen Mängel zu erfassen, die zu einer Kontamination mit Legionellen innerhalb der Installation geführt haben können, sondern darüber hinaus müssen in der Gefährdungsanalyse auch alle weiteren möglichen, erkennbaren Gefahrenquellen, ausgehend von der Trinkwasser-Installation, ermittelt werden.
Eine Überschreitung des technischen Maßnahmewerts für Legionellen ist auch nicht der einzige Auslöser für die Notwendigkeit einer Gefährdungsanalyse. Auch wenn andere Tatsachen bekannt werden, die auf eine Nichteinhaltung der Grenzwerte und Anforderungen der §§ 5 bis 7a TrinkwV hindeuten, hat der Unternehmer und sonstige Inhaber entsprechende Auflagen:
Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (TrinkwV)
§ 16 Besondere Anzeige und Handlungspflichten
(3) Der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nummer 2 Buchstabe c, d, e oder Buchstabe f haben in den Fällen, in denen ihnen die Feststellung von Tatsachen bekannt wird, nach welchen das Trinkwasser in der Trinkwasser-Installation in einer Weise verändert ist, dass es den Anforderungen der §§ 5 bis 7a nicht entspricht, erforderlichenfalls unverzüglich Untersuchungen zur Aufklärung der Ursache und erforderlichenfalls Maßnahmen zur Abhilfe durchzuführen oder durchführen zu lassen und darüber das Gesundheitsamt unverzüglich zu unterrichten.
Eine Gefährdungsanalyse soll also alle möglichen Gefährdungen für den Normalbetrieb der Wasserversorgung im Gebäude identifizieren und denkbare Ereignisse, die zum konkreten Eintreten einer Gefährdung führen können, ermitteln. Darüber hinaus soll sie darin unterstützen, notwendige Abhilfemaßnahmen zu identifizieren und ihre zeitliche Priorisierung unter Berücksichtigung der Gefährdung der Gesundheit von Personen festzulegen. Dabei wird zwischen Sofortmaßnahmen sowie mittelfristig und längerfristig umzusetzenden Maßnahmen unterschieden.
Eine Gefährdungsanalyse muss so konkret wie möglich formuliert und jeweils individuell für das betrachtete System durchgeführt werden. Es ist daher nicht möglich, eine korrekte Gefährdungsanalyse über „copy & paste“ zu erstellen, mit vorformulierten Textblöcken oder anhand von Checklisten. Letztlich ist die Gefährdungsanalyse die Basis, um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu identifizieren. Dabei müssen die einzelnen Mängel an einer Trinkwasser-Installation in einen systemischen Zusammenhang gebracht werden, um die tatsächlichen Ursachen ermitteln zu können.
Deutliche Mängel bei Gefährdungsanalysen
Das Umweltbundesamt beschreibt in seiner verbindlichen „Empfehlung für die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gemäß Trinkwasserverordnung“ vom 14. Dezember 2012" das grundlegende Vorgehen sowie allgemeine Anforderungen an Personen, die als geeignet angesehen werden, Gefährdungsanalysen durchzuführen. Dennoch wurden und werden vielfach Gefährdungsanalysen vorgelegt,
- die ein grundlegendes Wissen der einschlägigen technischen Regelwerke vermissen lassen
- die Sanierungsmaßnahmen verursachen, die zu Totalschäden an Trinkwasser-Installationen führen und/oder
- die keinerlei Sanierungserfolg versprechen.
Leider agieren viele Unternehmen und Einzelpersonen am Markt, auf deren Wirken es zurückzuführen ist, dass nach Schätzungen von Überwachungebehörden und Fachleuten etwa 70 % aller Gefährdungsanalysen fachlich mangelhaft sind. Hieraus resultieren unnötige Sanierungsversuche, juristische Streitfälle und Gesundheitsgefährdungen der Nutzer:

(Bei dieser "Checkliste" handelt es nicht um eine Gefährdungsanalyse! Bild: SPB Jena)
Aus diesem Grund wurde zum 01. Januar 2018 die neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 veröffentlicht. Zum ersten Mal ist damit ein Regelwerk verfügbar, dass von den drei im Titel genannten Organisationen gemeinsam als einheitliches Regelwerk herausgegeben wurde. Der DVGW war ebenfalls im Gremium vertreten und an der inhaltlichen Erarbeitung beteiligt. Die neue Richtlinie schafft heute eine praxisnahe Grundlage zur Erstellung von vereinheitlichten und zielführenden Gefährdungsanalysen.
Grundlagen der Gefährdungsanalyse
Die neue Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 beschreibt ausführlich Ablauf, Aufbau, Inhalte und Struktur einer Gefährdungsanalyse. Die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse müssen in Gutachtenform dokumentiert werden. Damit soll eine Basis für Beratungen zwischen dem Betreiber der Trinkwasser-Installation, dem Gesundheitsamt und weiteren an Planung, Bau oder Betrieb der Trinkwasser-Installation Beteiligten geschaffen werden. Sie muss logisch strukturiert und für alle Zielgruppen (darunter auch technische Laien in Person vieler Betreiber und Nutzer) verständlich sein und für Fachleute ein nachvollziehbares Ergebnis mit den notwendigen Erläuterungen bieten.
Durch die konkreten Festlegungen von Aufbau und Mindestinhalten haben Gesundheitsämter und Betreiber künftig gleichermaßen den Vorteil, dass vorgelegte Gefährdungsanalysen besser qualitativ eingeschätzt werden können. Mit der Schaffung einer allgemein anerkannten Regel der Technik zur Gefährdungsanalyse haben beispielsweise Gesundheitsämter zukünftig die Möglichkeit, unzureichende Gefährdungsanalysen als "nicht dem Zweck der Trinkwasserverordnung entsprechend" abzulehnen und Betreiber wissen bereits im Vorfeld, welche Aspekte im Rahmen der Gefährdungsanalyse mindestens untersucht und bewertet werden müssen und wie diese Daten aufbereitet sein sollen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine ereignisorientierte (Maßnahmen- oder Grenzwertüberschreitung nach TrinkwV) oder eine systemorientierte (präventive) Gefährdungsanalyse handelt. Die Vorgehensweise ist bei beiden Varianten identisch.
Fachleute, die sich mit der Thematik beschäftigen und Gefährdungsanalysen anbieten wollen, haben durch diese Richtlinie heute eine detaillierte Handlungsanweisung.
Die formale Darstellung der jeweils begutachteten Punkte gliedert sich nach der neuen Richtlinie in die folgenden Bereiche:
- Ortsbesichtigung mit Bestandsaufnahme (Feststellungen
Darstellung der vorgefundenen Ausführungen und Mängel in Schrift und Bild
- Prüfung auf Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik (Erläuterungen)
Vorgaben der technischen Regelwerke
- Gefährdungsanalyse
Begründung, warum die vorgefundene Ausführung zu einem gesundheitlichen Risiko führen kann
- Zusammenfassung
Zusammenführung und Bewertung der Ergebnisse und Befunde, Priorisierung
- Handlungsempfehlungen
Aufzeigen geeigneter Möglichkeiten, wie ein Mangel beseitigt werden kann, sodass keine weiteren Risiken von dem Anlagenteil ausgehen können und die Anlage wieder bestimmungsgemäß betrieben werden kann.
Qualifikation nach VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2
Grundvoraussetzung für die Tätigkeit als Sachverständiger ist immer die besondere fachliche Kompetenz des jeweiligen Bearbeiters des Gutachtens und nicht der beauftragten Firma oder Institution. Der Sachverständige muss persönlich in seinem Fachgebiet überdurchschnittliche Kenntnisse und Erfahrungen vorweisen. Weitere Anforderungen sind, dass der Sachverständige
- die persönliche Eignung für seine Tätigkeit vorweist,
- durch Fortbildung mit dem Stand der Technik vertraut ist und
- die Begutachtungen persönlich, objektiv und unparteilich durchführt.
Ortsbegehung und Erstellung einer Gefährdungsanalyse müssen unabhängig von anderen Interessen erfolgen. Das bedeutet, dass der Sachverständige in keiner Weise ein wirtschaftliches Interesse an einem begleitenden oder Folgegeschäft haben darf, da ihm sonst Befangenheit unterstellt werden kann. Eine Befangenheit ist immer dann zu vermuten, wenn Personen an der Planung, dem Bau oder Betrieb der Trinkwasser-Installation selbst beteiligt waren oder sind oder sich von der Gefährdungsanalyse weitere Aufträge erhoffen.
Am Markt sind leider auch Personen mit sehr phantasievollen, aber völlig unsinnigen und irreführenden Bezeichnungen und Titeln wie „zertifizierter Sachverständiger nach § 16 (7) TrinkwV“ auf Kundenfang unterwegs. Allein diese unzulässige Bezeichnung belegt bereits, dass es sich hierbei nicht um einen versierten Fachmann handeln kann, da eine Zertifizierung auf Grundlage der Trinkwasserverordnung selbstverständlich gar nicht möglich ist. Ein Fachmann wüsste sowas...
Im Rahmen der Richtlinie VDI/BTGA/ZVSHK 6023 Blatt 2 wird nun versierten Fachleuten erstmals die Möglichkeit geschaffen, Ihre Qualifikation gegenüber Auftraggebern im Rahmen einer Prüfung nach den offiziellen Vorgaben der Richtlinie darzustellen.
Mit Erscheinen der Richtlinie liegt ein Zertifizierungsprogramm vor, nach denen sich geeignet qualifizierte Fachleute als „VDI/BTGA/ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ von einem von den Trägern der Richtlinie unabhängigen Zertifizierungsdienstleister zertifizieren lassen können.
Als geeignete Vorbedingungen für eine solche Qualifikation auf Grundlage der Richtlinie erscheinen beispielsweise eine Ingenieurausbildung in einer einschlägigen technischen Fachrichtung (z.B. Versorgungstechnik oder Umwelt- u. Hygienetechnik), ein Meistertitel des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks oder eine Anerkennung als staatlich geprüfter Techniker SHK und eine bestandene Prüfung nach VDI/DVGW 6023, Kategorie A, mit VDI-Urkunde oder Fachkunde Trinkwasserhygiene des ZVSHK in Verbindung mit einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung im Bereich der Planung, Errichtung, dem Betrieb und der Beurteilung von Trinkwasser-Installationen.
Alternativ ist die technische Ausbildung in einer anderen Fachrichtung und eine bestandene Prüfung nach VDl/DVGW 6023, Kategorie A, bei mindestens siebenjähriger, einschlägiger Berufserfahrung, wie oben beschrieben, akzeptiert.
Der Unternehmer oder sonstige Inhaber der Trinkwasser-Installation bleibt nämlich als Auftraggeber in der Verantwortung:
Im Falle von Schadenersatzforderungen vor Gericht kann es wichtig sein, die Unabhängigkeit und ausreichende Qualifikation des hinzugezogenen Sachverständigen belegen zu können. Im Rahmen der Delegationshaftung muss der Auftraggeber sich immer vor Auftragsvergabe versichern, dass der Auftragnehmer für die zu übertragenden Aufgaben auch fachllich geeignet und in der Lage ist, diese in der vorgegebenen Form auszuführen.
Auftraggeber für Gefährdungsanalysen und Gesundheitsämter haben zukünftig anhand der Qualifikation als „VDI-BTGA-ZVSHK-geprüfter Sachverständiger für Trinkwasserhygiene“ den Beleg, dass der Betreiber seiner Verpflichtung zur sorgfältigen Auswahl bei der Auftragsvergabe nachgekommen ist.